Bohren und der Club of Gore
Fotocredit: Tanja de Maan
Die Geschichte jenseits der Geschichte.
Fleisch. Die Geschichte braucht Fleisch. Denn Substanz findet sich hier vor allem jenseits knochiger Fakten wie Gründungsdatum und Lebensraum (1988, Mülheim an der Ruhr) oder auch Besetzung und Instrumente (seit 2016 ein Trio, hauptsächlich Keyboards, Saxophon, Bass & Schlagzeug).
Inklusive ihres Debüts “Gore Motel” (1994) haben es BOHREN & DER CLUB OF GORE (gegründet 1988, Mülheim an der Ruhr) auf stattliche acht abendfüllende Langspielplatten bzw. Alben gebracht. Vier Titel verweisen mehr oder weniger direkt auf die Nacht – dem Debüt folgten hintereinander “Midnight Radio” (1995), “Sunset Mission” (2000), und “Black Earth” (2002), zuletzt erschien “Piano Nights” (2014). Dazwischen sorgten “Geisterfaust” (2005), “Dolores” (2008) und das Mini-Album “Beileid” (2011) für etwas unheimlichen Beiklang.
Mit jedem Album und jeder Show wächst die Beachtung, die BOHREN & DER CLUB OF GORE national wie auch international erhalten. Seltsamerweise bleibt die Rezeption im absoluten Einklang, wohlwollend aber gleich lautend bis ins letzte Wort, wiederholen sich Zuschreibungen, Verknüpfungen und Referenzen, egal was die Band macht.
Das perfekte Beispiel liefert 1997 Neuzugang Christoph Clöser und sein Saxophon, das in der Folge des Ausscheidens von Reiner Henseleit die Gitarre als eins der prägenden Instrumente weitgehend ersetzen soll. Bis zum heutigen Tag die wohl größte Zäsur im Band-Sound.
Selbst dieser Riss im BOHREN-Kontinuum war niemandem eine größere Erwähnung wert. Ebenso wenig wie die zahlreichen neuen Instrumente, die zunehmend im geräumigen Band-Sound deutliche Spuren hinterlassen haben: Vibraphon, Orgel, Tuba, Bassposaune, Chorgesang u.v.m.. Letzte Veränderung, die zumindest live optisch stärker ins Gewicht fallen dürfte: Seit Thorsten Benning Ende 2015 die Band verlassen hat, machen die drei Hinterbliebenen als Trio weiter und teilen sich die Schlagzeug-Aufgaben. Nur für den Besen haben sie sich eine Maschine bauen lassen.
Die Musik von BOHREN & DER CLUB OF GORE öffnet merkwürdige Assoziationsräume, vom warmen Erdloch über die gepflegte Geheimloge bis zur dunklen Waldschenke oder verrauchten Hafenspelunke. Dem persönlichen und kollektiven Bilderrausch sind somit keine Grenzen gesetzt. Selbst Einsamkeit ist kein Problem: Leere Parkhäuser, nächtliche Autofahrten, entlegene Brücken ins Nichts. It’s all in your mind. Das ist die Verlockung, eine süße Sucht ohne wirkliche Schuld. It’s all in your mind – only. Die sinister knisternden Songs sind Einladungen, hemmungslos ins Schwarze hineinzugeheimnissen.
Am 21.10.2016 erschien mit „BOHREN FOR BEGINNERS“ eine Retrospektive – andere sagen Einstiegsdroge – auf 2CDs über [PIAS] Germany, sowie Wiederveröffentlichungen (zT erstmals auf Vinyl) der Alben “SUNSET MISSION”, “BLACK EARTH” und “GEISTERFAUST”
http://www.bohrenundderclubofgore.de/
https://www.youtube.com/watch?v=TrQkz_vL0B4
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