Schlammpeitziger
Luft schlucken und sie wieder auszupupsen – das ist die Hauptbeschäftigung des gemeinen Schlammpeitzger. Als der Elektro-Künstler Jo Zimmermann seine Solokarriere in den frühen 1990ern startete, entschied er sich für diesen Namen – Schlammpeitziger, eine Kreatur, die in den schlammigen Gewässern des europäischen und asiatischen Flachlands vorkommt. Im Gegensatz zu dem Fisch begründet sich sein Ruf allerdings auf der innovativen Nutzung billiger Casio-Computer und zusammengesetzter Nomen wie zum Beispiel diesen: Erdrauchharnschleck, Burgfensterrhythmuskuckloch, Freundlichbaracudamelodieliedgut, Spacerokkmountain-rutschquartier oder Augenwischwaldmoppgeflöte – um nur seine ersten fünf Alben zu nennen.
Und während Schlammpeitzigers Kunst sich weiterentwickelt hat, ist er sich doch auch treu geblieben, zum Beispiel in ein paar lebhaften Referenzen zum Pupsen.
Einer seiner vielen prominenten Freunde, Jan St. Werner von Mouse on Mars, über die Besonderheiten von Schlammpeitzigers Werk:
Als ich Schlammpeitziger zum ersten Mal traf, schrie er durchs Zimmer: „Unglaublich, der junge Andreas Dorau!“. Beherrschte der fremde Mann Zeitvisionsstrahlung, sah er Dinge und Wesen, die niemand anderer wahrnehmen konnte? Seine damals wie heute kongeniale Begleitung, Uli der Bär, kniff mir in die Wange, um sich vom Echtheitszustand meiner Person zu überzeugen. Es war wohl eine Art Initiationsritual. Ich wurde von zwei Kölner Multiassoziationsschamanen durchleuchtet. Ab da ging es los, leben, schreien, Wald, tanzen, Musik. Ohne Dogma, ohne Regieanweisungen. Mit Filtersweep und Clap wurde unaufhörlich aus einer für mich völlig neuen, schwingend melancholischen Mythologie geschöpft. Pommes kamen hier ebenso vor wie Synthesizer, Fürze, Regenwürmer, iPads und Fische.