Tom Taschenmesser

Tom Taschenmesser wird wohl oder übel damit leben müssen, dass man ihn als „Singer/Songwriter“ bezeichnet. Das geht insofern in Ordnung, weil er nun mal singt und Lieder schreibt. An dieser Stelle enden bereits die Gemeinsamkeiten mit handelsüblichen Akteuren dieses Genres. Misstrauen und Widerwillen gegenüber allem was harmlos und klassisch schön ist, zieht sich als roter Faden durch seine Lieder und äußert sich bei seinen Konzerten als sensibler, explosiver Kraftakt. Lieder von Tom Taschenmesser sollen immer irgendwem irgendwo weh tun – und sei es nur ihm selbst.

Tom Taschenmesser hat es sich zur Aufgabe gemacht, Geschichten von denen zu erzählen, die sonst so oft unsichtbar bleiben. Von den Verlorenen und Vergessenen, von den Abgehängten und Abhängigen, von den ganz gewöhnlichen Bedürftigen. Die Texte seiner Lieder vereinen Präzision und Leichtigkeit, es wird geschimpft, gefleht, verteufelt und verziehen. Die Band um Tom Taschenmesser folgt dem Vibe seiner Texte und untermalt diese mal schmeichelnd-charmant, mal brachial-dissonant.

Seine Debüt-EP “verstehst du nein gut” ist ein Sammelsurium songschreiberischer Kleinode. Im ersten Song “Meine Schwestern” wendet sich Tom Taschenmesser mit viel Wut im Bauch gegen die weltweit verbreitete Rape Culture die Vergewaltigungen und andere sexualisierte Gewalt gegen Frauen duldet und toleriert. Vehement erinnert er in “Meine Schwestern” die männlich Sozialisierten an ihre Privilegien und fordert sie auf, ihre Machtstellung zu hinterfragen und zu dekonstruieren.

Das folgende Stück “Klaus, Karl und Tom” ist eine liebevolle Erzählung über Psychatriebesuche und damit verbundene gesellschaftliche Zwänge, Normen und Erwartungen.

In “Maury” setzt Tom Taschenmesser dem Wuppertaler Lebenskünstler, Tunichtgut und Taugenichts gleichen Namens ein Denkmal. Wie er in der direkten, harten Sprache der Straße über dessen Leben, den Exzess, das Streunertum philosophiert, das erinnert aufs Schönste an Künstler wie Die Nerven, Messer oder Klaus Hoffmann.

Das vorletzte Stück “Niemand Kann Alle Sein” beschäftigt sich mit dem Streben der Menschen etwas anderes zu sein als man ist und ermutigt zur Aufgabe dieses Anspruchs. “Jeder ist viele, aber niemand kann alle sein” ist eine einfache Feststellung für einen komplizierten Sachverhalt. Du wirst zu dem Menschen der du bist, durch die Menschen mit denen du dich umgibst, die Person, die du schon immer warst, wirst du aber trotzdem niemals los.

Das abschließende “Brügge” ist ein wunderschön nachdenklicher Song über das Ende und verwebt dabei Erinnerungen, Filmreferenzen und Emotionen aufs Schönste miteinander.

Die Lieder von Tom Taschenmesser klingen wie die unzähligen connections die man so hat, wie die vielen kleinen Rollen, die man so einnimmt: zueinander verstimmt und trotzdem in einem eigenartig guten Flow. Er befindet sich damit in der Tradition vieler großer Songschreiber*innen und hat doch eine ganz eigene Ansprache gefunden.

Die EP “verstehst du nein gut” erscheint am 17. Februar 2021 via die neue leichtigkeit.

Musikalische Kollektive sind im Rap und HipHop ein alter Hut, schweißen ihre Mitglieder zu einer stärkeren gemeinsamen Kraft zusammen, vertreten geteilte Standpunkte und bleiben gleichzeitig offen für Neues und Neue. Und im Indie? Mit die neue leichtigkeit haben sich erstmals befreundete und gleichgesinnte KünstlerInnen und Kreative in Deutschland zusammengetan, um Ressourcen zu bündeln und an einer gemeinsamen Idealvorstellung von deutschsprachiger Popkultur zu arbeiten. Mannigfaltiger Pop abseits des Mainstreams, der die kritische Auseinandersetzung mit Gesellschaftlichem sucht. Neben Tom Taschenmesser gehören dem Kollektiv auch Der Frühling und Wein & Haschisch an.

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